Im letzten Beitrag der dreiteiligen Serie zum großen Thema „Show, don’t tell“ widmen wir uns den berüchtigten Infodumps: Wie entstehen sie, wieso sind sie problematisch, wie kann man sie verhindern?
Was ist Infodumping?
Mit dem Wort Infodumping bezeichnet man das konzentrierte Abladen von Informationen an einer Stelle im Text, an der sie eigentlich nicht gebraucht werden. Das sieht dann zum Beispiel so aus:
„Sie sah auf das Dorf hinab, in dem sie seit 10 Jahren lebte. Es hatte nur 5.000 Einwohner*innen, und obwohl sie das kleine Häuschen ihres Onkels liebte, in dem sie wohnte, seit er vor drei Jahren an Diabetes gestorben war, würde sie in zwei Wochen wegziehen. Der neue Job als Büroassistentin bei einer Immobilienfirma war ein wichtiger Karriereschritt und würde sie in die nächstgelegene Großstadt bringen, die nur 50 Kilometer weit weg lag.“
In diesen drei Sätzen lernen wir sehr viel über die Umstände, in denen sich die Protagonistin befindet, und auch einige andere Dinge wie Einwohner*innenzahlen und Entfernungen. Allerdings klingt der Text dadurch auch sehr nüchtern und wenig spannend. Hier wird berichtet, nicht gezeigt, und zwar nicht zu knapp. Emotionen bleiben ganz auf der Strecke, und eine Atmosphäre will auch nicht entstehen. Was ein sinnlicher, beinahe wehmütiger Blick hinab auf eine Heimat sein könnte, die die Protagonistin verlassen muss, verkommt zu einer Liste an Zahlen und Fakten.
Wie entstehen Infodumps?
Ein Infodump ist schnell passiert. Als Schreibende haben wir so viele Fakten und Details zu unserer Welt und unserem Plot ausgearbeitet, dass die oft ohne unser Zutun Eingang in unsere Texte finden. Ganz besonders gilt das für die fantastischen Genres, in denen wir neue Welten erschaffen, die oft ganz anders funktionieren als die Welt, die die Lesenden kennen. Da sind wir schnell geneigt, am Anfang einen Absatz oder gar einen ganzen Prolog lang zu erklären, wie die Magie funktioniert, welche Technologien es gibt oder wie eine Gesellschaft aufgebaut ist.
Die Absicht wird schnell klar: Wir wollen, dass die Lesenden verstehen, dass sie sich keine Fragen stellen, die sie eventuell aus dem Lesefluss reißen. Wir möchten ihnen das Leseerlebnis so angenehm wie möglich machen.
Allerdings erreichen wir oft das Gegenteil. Jeder Infodump ist verschwendetes Spannungspotenzial und kann die Lesenden im schlimmsten Fall langweilen. Das gilt auch für welterklärende Prologe, denn die Lesenden können sich Fakten über eure Welten viel besser merken, wenn sie sie in Handlung verpackt serviert bekommen anstatt als schnöde Berichte voller Informationen.
Mini-Infodumps und Erzählperspektive
Besonders problematisch werden Infodumps in Erzählperspektiven, die den Figuren sehr nah sind, also in der personalen oder der Ich-Perspektive. Hier soll ja die Illusion entstehen, dass die Lesenden sich quasi im Kopf oder auf der Schulter der Figur befinden. Aber die Figur selbst wird sich über bestimmte Umstände in ihrer eigenen Welt nicht wundern und sie deswegen nicht für relevant halten.
Stellt euch den Abschnitt oben in der Ich-Perspektive vor:
„Ich sah auf das Dorf hinab, in dem ich seit 10 Jahren lebte. Es hatte nur 5.000 Einwohner*innen, und obwohl ich das kleine Häuschen meines Onkels liebte, in dem ich wohnte, seit er vor drei Jahren an Diabetes gestorben war, würde ich in zwei Wochen wegziehen. Der neue Job als Büroassistentin bei einer Immobilienfirma war ein wichtiger Karriereschritt und würde mich in die nächstgelegene Großstadt bringen, die nur 50 Kilometer weit weg lag.“
Würde die Protagonistin beim Blick auf das Heimatdorf tatsächlich über die Einwohner*innenzahl nachdenken? Nein, oder? Das klingt sehr unnatürlich und kann deswegen dafür sorgen, dass die Lesenden irritiert sind.
Noch deutlicher wird das in Dialogen, vor allem dann, wenn eine Figur einer anderen etwas mitteilt, das die schon weiß. An solchen Stellen wird die Absicht sichtbar: Die Information wird nur ausgesprochen, damit die Lesenden sie bekommen. Für die beiden Figuren im Text hat die Unterhaltung hingegen keinen Mehrwert und wirkt deswegen künstliche und gewollt.
Wie vermeidet man Infodumping?
Die erste Frage, die wir uns stellen sollten, ist also: Welche Informationen brauchen wir an dieser Stelle im Text tatsächlich? Auf unser Beispiel bezogen: Ist es wirklich relevant, wie viele Einwohner*innen das Dorf hat oder wie groß die Entfernung zur Stadt ist? Müssen wir wissen, dass der Onkel an Diabetes gestorben ist, und kann man die Information über den Job an eine andere Stelle verschieben?
Die zweite Frage ist: Wie werden die Informationen verpackt? Hier kommen wir zum eigentlichen Thema zurück: Show, don’t tell. (Konsultiert dazu gerne noch mal die beiden anderen Blogbeiträge zum Thema hier und hier.) Das bedeutet, die Informationen zu zeigen, anstatt darüber zu berichten, sie also in Handlung einzubinden oder auf glaubhafte Weise in Dialogen zu vermitteln.
Zum Beispiel: Unser Beispiel von oben bietet sich hervorragend für einen Dialog an. In einem Gespräch mit einer Freundin oder einem Freund könnte die Protagonistin all diese Informationen mitteilen, ohne dass es künstlich oder gestelzt wirkt (bis auf die Einwohner*innenzahl, die können wir uns wirklich sparen). Zusätzlich bietet sich in einem Dialog die Möglichkeit, die Figuren zu charakterisieren und ihre Gefühle auszudrücken.
Worldbuilding ohne Infodumps
Auch Worldbuilding kann ohne Infodumps funktionieren, selbst wenn es unfassbar viele Informationen zu vermitteln gibt. Dabei sollten wir immer im Hinterkopf behalten, dass die Lesenden unsere Welt nicht von vornherein in all ihren Details verstehen müssen. Fans der fantastischen Genres sind es gewohnt, dass sie sich nur Stück für Stück in der neuen Welt zurechtfinden.
Die eleganteste Lösung besteht immer darin, die Welt über die Handlung zu erschließen. Ein Magiesystem muss nicht erklärt werden, wenn die Lesenden es in Aktion erleben. Man braucht keine Abhandlung über ein Staatensystem, wenn man einer Parlamentssitzung beiwohnt. Zeigen anstatt berichten.
Aber Vorsicht: Ein gängiges Motiv besteht darin, die Hauptfigur als Fremde in die neue Welt zu setzen – ein Mensch gerät in das Land der magiebegabten Wesen, eine Person aus dieser Zeit springt in die Zukunft, ein normales Schulmädchen verliebt sich in einen Vampir. Die Hauptfigur dient in diesen Fällen als Tor in die neue Welt. Alles muss ihr erklärt werden und kann damit auch den Lesenden erklärt werden. So kann man Infodumps mehr oder minder umgehen oder sie als handlungsrelevant einstufen. Aber: Dieses Motiv ist etwas abgelutscht, weswegen ich dazu rate, es nur mit sehr viel Sorgfalt einzusetzen.
Einschränkung und Auswege
Leider lassen sich Infodumps nicht immer ganz vermeiden. Es gibt in einem Roman nun mal viel zu sagen, und nicht alles davon lässt sich in Handlung oder Dialogen verpacken. Mache Fakten sind vielleicht nicht relevant genug, um ihnen so viel Aufmerksamkeit zu widmen, liegen uns als Schreibenden aber zu sehr am Herzen, als dass wie sie einfach weglassen könnten. Wie kann man dieses Problem lösen?
· Kürzen: Wenn ein Infodump nicht zu umgehen ist, haltet ihn so kurz wie möglich.
· Infodump in den Hintergrund stellen: Ein Fernsehbericht, eine Radioübertragung oder ein nebenbei aufgeschnapptes Gespräch eignen sich sehr gut, um Fakten unterzubringen, ohne die Handlung zu stören.
· Glossars und Anhänge: Zusätzliche Details zum Weltenbau und zu bestimmten Begriffen lassen sich wunderbar in einem Glossar zusammenfassen. So stören sie den Lesefluss nicht, sind aber für Interessierte abrufbar.
Fazit
Hiermit sind wir am Ende unserer Reihe über das Thema „Show, don’t tell“ angekommen. Der wichtigste Punkt ist und bleibt: Wir wollen, dass die Lesenden so tief wie möglich in unsere Geschichte eintauchen, ungestört dort bleiben können und emotional investiert sind. Dafür müssen wir szenisch erzählen, Emotionen wecken und dürfen nicht mit ungelenken Infodumps langweilen. Achtet also beim Überarbeiten eures Manuskripts noch mal genau auf informationsgeladene Passagen, Beschreibungen und die Bildhaftigkeit eurer Sprache.
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