Wie schreibt man ein Exposé
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Aktualisiert: vor 58 Minuten
Seit einigen Monaten arbeite ich freiberuflich für einen kleinen Verlag und helfe auch bei der Durchsicht der eingesendeten Manuskripte. Das bedeutet, ich sehe viele Exposés. Und weil so viele davon nicht gut oder schlicht unzureichend sind, widme ich mich in diesem Artikel der Kunst, ein gutes Exposé zu schreiben. Viele Autor*innen bezeichnen das Exposé als den Endgegner, denn es ist schwer, die eigene Geschichte auf ihre Essenz zu reduzieren. Aber nur, wenn euch das gelingt, könnt ihr einen Verlag oder eine Agentur von eurem Projekt überzeugen.
Ziel eines Exposés
Verlage und Agenturen verlangen Exposés, weil sie euer Projekt einschätzen müssen, bevor sie es lesen. Passt es zum Programm? Spricht es die Zielgruppe des Verlags an? Ist die Geschichte schlüssig aufgebaut? Passen Aufbau und Struktur in die Strategie des Verlags? Werden aktuelle Themen aufgegriffen? Wie ist der Schreibstil? All diese Dinge möchten sie in so wenig Zeit wie möglich erfahren, denn Verlage und Agenturen sind Wirtschaftsunternehmen.
Das bedeutet, eure Aufgabe ist es, es den Lesenden so leicht wie möglich zu machen, euer Projekt vollumfänglich zu verstehen. Geht nicht davon aus, dass die Person ja sowieso noch die Leseprobe liest und dann ja sieht, worum es in der Geschichte geht. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn das Exposé nicht deutlich vermitteln kann, was für ein Projekt vorliegt, wird die Leseprobe meist gar nicht erst angeschaut.
Und seid in eurem Exposé unbedingt ehrlich. Euer Ziel darf es nicht sein, den Verlag zu täuschen oder Fakten zu unterschlagen, damit er sich trotz gewisser Umstände auf euer Projekt einlässt. Spätestens wenn das gesamte Manuskript angefordert wird, erkennt das Gegenüber, wo ihr geschummelt habt, und ist verstimmt. Ihr sucht eine Partnerschaft für eine konstruktive Zusammenarbeit. Geht die Bewerbung von Anfang an mit diesem Mindset an.
Informiert euch
Viele Agenturen und Verlage schreiben deutlich auf ihre Website, wie eine Bewerbung bei ihnen aussehen soll. Haltet euch daran. Wenn ihr diese Vorgaben missachtet, wirft das kein gutes Licht auf euch, und die Verlage und Agenturen suchen ja Autor*innen, mit denen sie gut zusammenarbeiten können. Vermasselt es euch nicht gleich am Anfang.
Was muss ins Exposé?
Name und Kontakt
Gebt unbedingt im Exposé euren Namen (gegebenenfalls auch Pseudonym) und eure Kontaktdaten an. Das kann am Anfang des Dokuments passieren oder in einer Kopf- oder Fußzeile. Wenn ihr eine nennenswerte Social-Media-Präsenz habt, könnt ihr auch diese angeben.
Daten und Fakten
Ein Exposé beginnt mit einer kleinen, stichpunktartigen Aufstellung der wichtigsten Eckdaten des Projekts. Dies dient dazu, dem Verlag oder der Agentur einen ersten Eindruck zu geben. Seid auch hier so deutlich wie möglich und verschweigt keine Details, von denen ihr glaubt, sie könnten abschrecken. Die Fakten sind, wie sie sind. Wenn jemand deswegen ablehnt, dann ist es nicht das richtige Match für euch.
Zu diesen Daten gehören
Titel/Arbeitstitel
Gebt dem Projekt in jedem Fall einen Titel, auch wenn ihr euch noch keinen guten ausgedacht habt. Schreibt (AT) für Arbeitstitel dahinter, um deutlich zu machen, dass ihr offen für Titelvorschläge seid.
Genre
Auch wenn es euch schwerfällt, euch auf ein Genre festzulegen: Tut es! Wenn euer Manuskript zwischen verschiedenen Genres schwebt, gebt diese an. Zum Beispiel „Science-Fiction - Space Opera mit Fantasy-Elementen“ oder „Krimi-Romanze“.
Länge
Die Länge eures Buches ist sehr wichtig, weil sie viel über die Kosten der Produktion und die Vermarktbarkeit aussagt. Seid hier auch ehrlich und klar. Gebt nicht nur die Seiten an, denn die können je nach Formatierung sehr viel oder sehr wenig Text beinhalten, sondern nennt auch die Anzahl der Wörter oder der Anschläge. Sagt außerdem dazu, wenn es der erste Band einer Reihe oder Serie ist, denn natürlich macht es für einen Verlag einen großen Unterschied, ob er sich für ein Buch oder für mehrere verpflichtet. (Kleine Fußnote: Weil Serien etwas schwerer zu vermarkten sind, könnt ihr eure Chancen erhöhen, wenn ihr den ersten Band so konzipiert, dass er auch als Einzelband funktionieren kann. Gebt das dann im Exposé an.)
Zielgruppe/Vergleichstitel
Versucht, eine klare Zielgruppe zu benennen. „Für alle“ ist keine Zielgruppe, und ein Buch für alle ist am Ende meist ein Buch für niemanden. Stellt euch das ideale Publikum für euer Buch vor, zum Beispiel „junge Erwachsene mit Interesse an Feminismus und Ostasien“ oder „Rentner mit einem Faible für True Crime“. Wenn es euch wirklich nicht gelingt, könnt ihr auch Vergleichstitel nennen, zum Beispiel „für Fans von Dan Brown und Frank Schätzing“ oder „für Leser*innen von Fourth Wing“. Habt hier keine Scheu davor, bekannte Namen zu nennen, solange ihr nicht behauptet, besser als diese Autor*innen zu sein. Hier geht es lediglich um eine Einordnung eures Manuskripts und die Frage: Neben welchen Titeln würde es im Buchladen am besten aufgehoben sein?
Status
Wichtig ist hier vor allem die Frage, ob euer Manuskript fertiggestellt ist oder nicht und ob es bereits veröffentlicht wurde, zum Beispiel im Selfpublishing. Auch hier: Verschweigt nicht, wenn euer Buch bereits auf Amazon erhältlich ist oder wenn es erst zu einem Drittel geschrieben ist. Irgendwann findet der Verlag oder die Agentur es sowieso heraus. Ihr könnt auch angeben, ob der Text bereits professionell lektoriert wurde – das unterstreicht euer Engagement. Falls dies ein Band einer mehrteiligen Reihe oder Serie ist, gebt auch den Status der anderen Bände an.
Pitch
Der Pitch ist nicht der Klappentext, aber er funktioniert ähnlich. Gebt in drei oder vier Sätzen die Essenz eurer Geschichte wider. Wer ist die Hauptfigur? Wie ist das Setting? Worum geht es? Versucht, das Ganze spannend zu formulieren, sodass die Lesenden Interesse an der ganzen Geschichte bekommen.
Zusammenfassung der Handlung
Dies ist der wichtigste Teil des Exposés, und leider auch der, bei dem am meisten schiefgehen kann. In der Zusammenfassung sollt ihr eure gesamte Geschichte mit allen wichtigen Etappen bis zum Ende knapp darstellen. Klingt unmöglich, ist es aber nicht. Hier ein paar Methoden, die euch helfen.
Bevor ihr das Exposé schreibt, solltet ihr stichpunktartig den Ablauf eurer Geschichte zusammenfassen. Wo ist die Hauptfigur am Anfang und was ist der Auslöser für die Geschichte? Welche wichtigen Personen spielen eine Rolle? Was sind die Wendepunkte der Geschichte? Welche Hürden muss sie überwinden, um ans Ende der Geschichte zu gelangen, und wie verändert sie sich auf dem Weg? Diese Stichpunkte helfen euch dabei, die richtige Struktur zu finden.
Beschränkt euch auf die wirklich wichtigen Stationen und lasst Nebenschauplätze aus oder deutet sie nur kurz an. Und seid auch mit den Nebenfiguren sparsam. Lasst gerne mal jemanden unter den Tisch fallen, der nicht essenziell für die Zusammenfassung ist.
Die Zusammenfassung wird im Präsens geschrieben. Das ist so Usus. Haltet euch daran.
Erzählt die Geschichte genau in dem Ablauf, wie sie auch im Manuskript erzählt wird. Sätze wie „Eduard ist Karlas Vater, was sie aber erst am Ende der Geschichte erfährt“ solltet ihr vermeiden. Wenn dieses wichtige Detail erst am Ende der Geschichte enthüllt wird, steht es auch im Exposé erst am Ende. Versucht, den Spannungsaufbau beizubehalten, damit auch das Lesen des Exposés spannend wird. Erklärt eure Geschichte nicht, erzählt sie.
Wenn ihr mehrere Handlungsstränge habt, steht ihr vor einer besonderen Herausforderung. Natürlich dürft ihr auch im Exposé zwischen den beiden Plotlines springen, achtet aber darauf, es nicht zu oft zu tun. Wenn ihr das Gefühl habt, dass die Zusammenfassung zu hektisch und unübersichtlich wird, dürft ihr auch Kapitel aus Handlungsstrang 1, die im Manuskript durch ein Kapitel aus Handlungsstrang 2 getrennt sind, zusammen wiedergeben. Wenn es Handlungsstränge gibt, die nur nebenbei laufen und nicht essenziell für den Hauptplot sind, dürft ihr die auch unterschlagen oder nur andeuten. Konzentriert euch auf eure Hauptfigur und deren Geschichte.
Die große Kunst ist es, konkret zu sein und trotzdem knapp zu bleiben. Vermeidet schwammige Formulierungen wie „Sie erleben viele Abenteuer“. Besser wirken Sätze wie „Nachdem sie einen Angriff der Sandmonster überlebt und das Geisterlabyrinth von Doroth durchquert haben …“. Auch wenn die Lesenden nicht wissen, wie die Sandmonster aussehen oder was es mit dem Labyrinth auf sich hat, entstehen hier Bilder, die die Vorstellungskraft anregen.
Und vergesst bei all der Handlung nicht die innere Entwicklung eurer Figuren. Verlage und Agenturen wollen sehen, dass die Hauptfigur aktiv ist und sich im Laufe der Ereignisse verändert.
Die Zusammenfassung muss unbedingt das Ende beinhalten. Der Gedanke, dass etwas offenbleiben muss, damit die Lesenden Lust auf das ganze Manuskript bekommen, ist an dieser Stelle fehl am Platz. Erst das Ende verrät der Agentur oder dem Verlag, ob ihr eure Geschichte wirklich gut konstruiert habt. Wenn ihr das Ende weglasst, macht das keinen guten Eindruck.
Übrigens: Auch in die Zusammenfassung gehören Absätze. Schreibt nicht einfach alles in einem seitenlangen Textblock runter. Das ist einerseits nicht sonderlich gut zu lesen, andererseits geben die Absätze auch der Zusammenfassung Struktur und können dabei helfen, den sehr dichten Text zu verstehen.
Falls dies der erste Band einer mehrteiligen Reihe oder Serie ist, ist es sehr sinnvoll, auch einen Ausblick auf die folgenden Bände zu geben – vor allem auf das Ende der gesamten Geschichte. Fügt also kurze Pitches hinzu und bereitet euch darauf vor, dass die Exposés zu den Folgebänden angefragt werden.
Die große Frage, wie lang genau die Zusammenfassung sein darf, kann ich euch nicht beantworten. Man liest im Netz, dass es zwischen einer und fünf Seiten sein dürfen. Manche Verlage sieben vielleicht schon aus, wenn es mehr als drei Seiten sind, andere lesen vielleicht auch acht Seiten. Drei Seiten ist ein guter Maßstab, aber natürlich hängt es auch von eurer Geschichte ab. Bleibt einfach so knapp wie möglich.
Leider kann ich euch keinen Lehrgang im Schreiben der Zusammenfassung geben, das würde den Umfang dieses Artikels sprengen. Viele Lektor*innen bieten einen Exposé-Check als Dienstleistung an. Wenn ihr euch also unsicher seid, schaut euch mal um. Als Literatur zur Weiterbildung in diesem Bereich empfehle ich „Drei Seiten für ein Exposé“ von Hans Peter Roentgen.

Was kann ins Exposé?
Zu Daten und Fakten
Folgende Infos könnt ihr in den Block zu den Daten und Fakten hinzufügen:
Perspektive und Tempus
Welche Erzählstimme habt ihr gewählt? Zur Wahl stehen meist die Ich-Erzählstimme, die personale oder die auktoriale Perspektive. Gebt vor allem an, wenn ihr von diesen Klassikern abweicht oder mehrere benutzt. Genauso könnt ihr angeben, ob ihr im Präsens oder im Präteritum erzählt.
Setting
In manchen Genres ist das Setting relevant, zum Beispiel in der Fantasy: Ist es ein Mittelaltersetting, eher Renaissance oder was ganz anderes?
Tropes
Tropes spielen im Buchmarketing derzeit eine wichtige Rolle. Wenn ihr bewusst Tropes bedient, listet sie gerne auf. Wenn es ein besonderes Alleinstellungsmerkmal eurer Geschichte ist, dass sie mit einem bestimmten Trope bricht, könnt ihr auch das herausstellen.
Figurenaufstellung
Ihr könnt eine Liste der wichtigsten Figuren hinzufügen. Schreibt zu jeder Figur nur ein bis zwei Sätze, die sich um ihre Funktion in der Geschichte und ihre Entwicklung drehen. Ihr Aussehen sowie ihre Backstory sind hier nicht wichtig.
Klappentext
Wenn ihr einen Pitch habt, ist ein Klappentext eigentlich überflüssig. Wenn ihr ihn trotzdem hinzufügen wollt, dann tut es. Achtet dann aber darauf, dass er sich vom Pitch unterscheidet.
Alleinstellungsmerkmal
Wenn ihr überzeugt seid, dass eure Geschichte ein besonderes Alleinstellungsmerkmal besitzt, könnt ihr dazu gerne einen kleinen Absatz hinzufügen. Dies kann zum Beispiel eine neue Herangehensweise an ein bekanntes Motiv sein oder ein Thema, das derzeit gesellschaftlich sehr relevant ist. Übertreibt es hier nicht mit Sätzen wie: „So was gab es noch nie“, sondern bleibt nüchtern und erklärt, wieso euer Text relevant ist. Auch hier gilt: Drückt euch knapp aus.
Vita
Eure Vita übermittelt ihr normalerweise in einem separaten Dokument, sie kann aber auch Teil des Exposés sein. Achtet darauf, was der Verlag oder die Agentur verlangt. Wie ihr eine Vita schreibt, erfahrt ihr hier.
Was darf nicht ins Exposé?
Selbstbeweihräucherung
Ich habe es schon angedeutet: Übertriebene Behauptungen kommen nicht gut an. Selbst wenn ihr denkt, dass euer Buch das beste seit „Der Zauberberg“ ist oder dass es so etwas noch nie gegeben hat, haltet euch mit solchen Aussagen zurück. Führt stattdessen Argumente an, warum euer Buch erfolgreich sein kann.
Gemeinplätze
Manchmal versuchen Autor*innen, sich durch schwammige Formulierungen so viele Türen wie möglich offen zu halten. Der Effekt ist meist das Gegenteil. „Ein großer Spaß für Jung und Alt“ ist so beliebig, dass man sich nichts darunter vorstellen kann. Traut euch, konkret zu sein.
Layout
Ein Exposé muss kein Kunstwerk sein. Tatsächlich wirkt es manchmal abschreckend, wenn Autor*innen bereits eigenes Artwork für ihren Roman entwickelt haben und das Exposé vor Farben und Formen schreit. Genau wie bei der Leseprobe steht eines im Vordergrund: Lesbarkeit.
Gebt den einzelnen Bereichen deutliche Überschriften, damit die Mitarbeitenden im Verlag oder der Agentur schnell finden, wonach sie suchen. Wählt eine gut lesbare Schrift, am besten eine Serifenschrift, und formatiert das Dokument so, dass die Lesenden nicht von einer Textwüste erschlagen werden – ein etwas höherer Zeilenabstand, angemessene Seitenränder und eine leicht höhere Schriftgröße schaffen Übersichtlichkeit.
Das Exposé wird üblicherweise als PDF verschickt. Achtet auch hier auf die Vorgaben des Verlags oder der Agentur.
Fazit
Das Exposé liefert den ersten Eindruck über euch und euer Projekt. Deswegen sollte es so aussagekräftig wie möglich sein. Erstellt es mit Sorgfalt. Macht euch Gedanken darüber, was euer Projekt ausmacht und wieso es für einen Verlag oder eine Agentur interessant sein könnte.
Wenn ihr Unterstützung braucht, helfen euch professionelle Lektor*innen gerne weiter. Viele bieten spezielle Pakete für die Verlagsbewerbungsunterlagen an – auch ich tue das. Fragt mich gerne an.
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