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Dialoge – Ihre Funktion in Geschichten

Gute Dialoge zu schreiben, ist eine Königsdisziplin für Autor*innen. Sie dürfen vieles nicht sein: nicht zu lang, nicht zu kurz. Nicht zu umgangssprachlich, nicht zu gehoben. Nicht zu direkt, nicht zu abstrakt. Dialoge sind in jeder Hinsicht eine Gratwanderung. Und weil es darüber so viel zu sagen gibt, möchte ich mich in diesem und in den folgenden Beiträgen intensiv mit Dialogen beschäftigen. Heute beginnen wir mit der Frage: Was ist die Funktion von Dialogen?




Wieso eigentlich Dialoge?

 

Unsere Geschichten handeln meist von Menschen, und Menschen reden. Sprache ist unsere erste Wahl, wenn wir kommunizieren wollen. Deswegen ist es beinahe unumgänglich, sie in unsere Geschichten einzubauen.

 

Auf der anderen Seite ist ein Großteil unserer Kommunikation nicht sonderlich spannend. Wir sprechen über das Essen, das Wetter, den unveränderten Gesundheitszustand der Oma. Wir grüßen und verabschieden, sagen brav „Danke“ und „Bitte“ und fragen alle Nase lang, wie es den Leuten geht, ohne dass wir eine ehrliche Antwort erwarten. Das langweilt schon im echten Leben, im Roman tötet es jede Spannung.

 

Demzufolge gilt für Dialoge dasselbe wir für all den restlichen Text in euren Geschichten: Er hat nur dann eine Daseinsberechtigung, wenn er eine von drei Funktionen erfüllt:

 

  1. Er treibt die Handlung voran. Das heißt, die Figuren (und wir) erfahren etwas, das sie noch nicht wussten, treffen eine Entscheidung oder werden auf andere Weise in ihrem Handeln und Planen beeinflusst.

  2. Er dient der Charakterentwicklung. Das heißt, die Figuren (und wir) lernen etwas übereinander oder sich selbst, das vorher nicht bekannt war.

  3. Er baut Atmosphäre auf und trägt zum Worldbuilding bei. Das heißt, wir (seltener die Figuren) lernen durch den Dialog etwas über die Welt oder Umgebung, in der die Handlung stattfindet.

 

Im besten Fall leistet ein guter Dialog sogar mehr als nur eines davon.

 

 

Die vielen Ziele des Dialogs

 

Damit steht fest, welche Funktion ein Dialog strukturell in eurer Geschichte haben kann. Ihr als Autor*in wollt den Lesenden etwas mitteilen über Handlung, Figuren oder Welt. Das ist das übergeordnete Ziel.

 

Doch ein Dialog verfolgt auch noch andere Ziele, nämlich die der Personen, die ihn führen. Und deren Ziele sind vielleicht ganz andere als eure.

 

Stellt euch vor, ihr wollt ein Streitgespräch schreiben, in dem ein Paar sich trennt. Das könnte schnell gehen:

 

„Ich habe dich betrogen.“

 

„Du Schwein, ich trenne mich von dir.“

 

„Gut, ich ziehe morgen aus.“

 

Ziel erreicht.

 

Aber kein Trennungsgespräch der Welt ist jemals so verlaufen, weil die Personen, die den Dialog führen, eigene Ziele und Absichten haben. Will Partner*in 1 überhaupt verraten, dass es einen Betrug gab? Gibt es vielleicht andere Gründe, das hier offenzulegen? Und wollen die beiden tatsächlich eine Trennung? Welche Emotionen durchleben sie während des Gesprächs und wie spiegelt sich das in dem, was sie sagen? All das erfahren wir in den paar Sätzen oben nicht.

 

Bedenkt also beim Schreiben von Dialogen nicht nur, was ihr den Lesenden mitteilen wollt, sondern auch, was die Figuren sagen wollen, was sie verschweigen wollen, welche Absichten sie haben, wie ihre Beziehung zueinander ist und was sie mit dem Gespräch erreichen möchten.

 



Dialoge planen

 

Wenn ihr die Sache strukturiert angehen wollt, dann schreibt euch die Ziele auf, bevor ihr loslegt: Was will ich? Was will Figur 1? Was will Figur 2?

 

Zum Beispiel: Ich will, dass die beiden sich hier trennen. Figur 1 will aus der Beziehung raus, aber auf keinen Fall zugeben, dass es einen Betrug gab, weil sie mit der Schuld nicht umgehen kann. Figur 2 will die Beziehung unbedingt beibehalten, auch wenn sie betrogen worden ist, weil sie schreckliche Angst davor hat, verlassen zu werden.

 

Wenn ihr den Dialog geschrieben habt, könnt ihr ihn dreimal durchlesen, einmal für jedes Ziel, und untersuchen, ob die Ziele erreicht worden sind oder ob die Figuren zumindest so gesprochen haben, dass es mit ihren Zielen übereinstimmt – denn in diesem Fall, in dem eine Person sich trennen will und die andere nicht, kann nur eine ihr Ziel erreichen.

 

Unter diesen Bedingungen wird der Dialog ganz anders vonstattengehen als oben skizziert. Er wird automatisch an Natürlichkeit gewinnen, mehr über die Figuren verraten und durch wahre Emotionen Spannung erzeugen.

 

 

So viel erst mal zur Funktion von Dialogen in euren Geschichten. In den nächsten Beiträgen wird es um die Stimmen der Figuren, die Struktur von Dialogen, Subtext und Ton gehen. Falls ihr zu einem bestimmten Thema rund um Dialoge eine Frage habt, lasst es mich gerne wissen.

 

Und nicht vergessen: Ein Lektorat oder Schreibcoaching kann euch dabei helfen, eure Dialoge zu planen und zu verbessern. Wenn ihr also Hilfe braucht, meldet euch bei mir.


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