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Schreiben – Talent oder Handwerk

  • post841
  • vor 8 Stunden
  • 5 Min. Lesezeit

Der Wunsch, ein Buch zu schreiben, ist weit verbreitet. Viele Menschen stolpern irgendwann in ihrem Leben über diese eine zündende Idee für eine Geschichte, die sie so noch nirgendwo gelesen haben. Da liegt es nahe, eine Word-Datei zu öffnen und einfach mal draufloszuschreiben.

 

Viele setzen dabei auf ihr Sprachgefühl und hoffen darauf, dass sie genug Talent mitbringen. Was viele nicht berücksichtigen, ist das Handwerk, das hinter dem Schreiben steht. Einige argumentieren, dass sie sich nicht durch feste Strukturen in ein Schema pressen lassen wollen, andere behaupten, wahre Kunst könne man nicht lernen, man müsse sie fühlen. Diese Fragen möchte ich in diesem Blogbeitrag genauer beleuchten: Wie viel Talent gehört zum Schreiben dazu und wie viel Handwerk ist nötig?


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Talent in der Kunst

 

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die größten Künstler*innen der Geschichte mit einem besonderen Gespür für ihre Kunstform ausgestattet waren. Ob es Mozarts Sinn für Harmonien, Rembrandts Auge für Licht und Schatten oder James Browns Verständnis von Rhythmus war, sie alle haben etwas mitgebracht, das nicht allen von uns gegeben ist.

 

Und natürlich gibt es auch unter den schreibenden Menschen jene, die von Natur aus ein Gespür für die richtigen Worte, das passende Tempo und tiefgründige Figuren haben. Diesen Menschen fällt es wahrscheinlich leichter, eine Geschichte mitreißend zu erzählen, als anderen. Ich wage, zu behaupten, dass der Grund dafür nicht darin liegt, dass sie das Handwerk des Schreibens ignorieren, sondern darin, dass sie es automatisch befolgen, ohne es zu verstehen. Was das bedeutet? Lasst mich ausführen.

 

 

Kunst und ihr Handwerk

 

Jede Kunst ist auch ein Handwerk. Bei vielen anderen Kunstformen ist uns das klar. In der Malerei hinterfragt niemand, dass die Kenntnis von Farben, Untergründen, Pinseln und Techniken Teil der täglichen Praxis ist. Maler*innen verbringen Stunden über Stunden mit Studien und Skizzen, um ihr Handwerk zu verbessern.

 

Das bedeutet, dass Maler*innen einschätzen können, mit welcher Technik sie welchen Effekt hervorrufen. Sie wollen mehr Struktur, Tiefe und farbliche Brillanz? Dann wählen sie wahrscheinlich eher Ölfarben auf Leinwand. Streben sie nach Leichtigkeit, Mattigkeit und Subtilität, dann wird es eher Aquarell auf Karton. Sie verstehen ihr Handwerkszeug gut genug, um das passende Mittel für jeden Moment zu wählen, und können es entsprechend einsetzen.

 

Genauso ist es in der Musik: Nur wer sein Instrument wirklich gut beherrscht, wird Außergewöhnliches schaffen können. Zu üben ist also genauso wichtig, wie zu erschaffen. Noch mehr gilt das für performative Kunstformen wie Tanz oder Theater.

 

Selbst die großen Genies wie diejenigen, die ich oben genannt habe, haben gelernt, geübt, studiert, Dinge ausprobiert und verworfen. Sie waren sich bewusst, dass ihr naturgegebenes Talent ausgebaut und verfeinert werden muss, wenn sie ihre Visionen verwirklichen wollen. 

 

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Schreiben als Handwerk

 

Beim Schreiben fällt es uns schwerer, das Handwerk zu identifizieren, denn unser Werkzeug ist eines, das wir jeden Tag benutzen: die Sprache. Und die beherrschen wir doch, nicht wahr? Wir können Sätze formulieren und kennen das Vokabular. Und haben wir nicht alle schon Tausende E-Mails geschrieben? Das muss reichen.

 

Aber so einfach ist es leider nicht. Genauso wie ein*e Malermeister*in beim Streichen eines Flurs den Pinsel anders einsetzt als ein*e Künstler*in bei der Ölmalerei, so setzen wir Sprache anders ein als Schriftsteller*innen es tun. Korrekte Rechtschreibung und Grammatik sind nicht ausreichend, wenn wir emotionale, spannende Geschichten schreiben wollen, denn hier geht es um mehr als um richtig gebaute Sätze.

 

 

Die Werkzeuge des Schreibens

 

Worauf müssen wir also achten, wenn wir das Handwerk des Schreibens lernen wollen? Im Kern geht es um die Beziehung zwischen dem Effekt, den wir erzielen wollen, und dem sprachlichen Mittel, das wir dafür einsetzen. Das fängt an bei der passenden Wortwahl. Die Wörter „Hochhaus“ und „Wolkenkratzer“ bedeuten im Grunde dasselbe, und doch rufen sie unterschiedliche Emotionen hervor. Weiter geht es mit der Satzlänge und dem Satzbau, mit denen wir das Tempo einer Erzählung steuern können. Wie wir unseren Text mit Absätzen strukturieren, schafft Bedeutungszusammenhänge. Der Aufbau einer Szene leitet die Lesenden durch die Handlung, baut Spannung und Neugier auf. Wie wir Informationen vermitteln, steuert den Lesefluss, und natürlich sorgt die Struktur der gesamten Geschichte dafür, dass die Lesenden am Ende zufrieden oder enttäuscht aus dem Buch gehen.

 

Und das sind nur einige wenige Aspekte. Vom einzelnen Satzzeichen bis zur Gesamtstruktur – alles hat einen Einfluss. Nur wer mit diesen Werkzeugen umgehen kann, ist in der Lage, genau die Geschichte zu schreiben, die ihm/ihr im Kopf herumgeht.

 

 

Sind Werkzeuge eine Einschränkung?

 

Oft hört man das Argument, dass die ganzen Schreibratgeber und Regelwerke wahre Kreativität einschränken und eine homogene Kunstlandschaft schaffen, in der nichts Neues mehr entsteht. Das halte ich für einen Irrglauben. In der Musik würden wir nie behaupten, dass das Beherrschen eines Instruments dazu führt, dass keine innovative Musik mehr geschrieben wird. Im Gegenteil: Wer die Mittel der Kunst und ihre Effekte kennt, kann mit ihnen spielen wie sonst niemand oder sich bewusst gegen sie entscheiden. Durch Zufall entsteht wahre Innovation nur selten.

 

Noch wichtiger ist die Kenntnis des Handwerks für diejenigen, die gar keine neue Kunst schaffen, sondern einfach nur eine Geschichte erzählen und damit Leser*innen finden wollen. Gerade in der populären Literatur und im Genre erwartet die Leserschaft, dass bestimmte Regeln eingehalten werden. Ist dies nicht der Fall, stößt man auf wenig Gegenliebe.

 

 

Wie lernt man das Handwerk?

 

An erster Stelle durch Üben. Viele Schreibende beginnen mit Kurzgeschichten. Hier kann man sich in einem begrenzten Umfang ausprobieren, mit Stilen und Werkzeugen spielen und so erkunden, welche Möglichkeiten Sprache überhaupt bietet.

 

Schreibratgeber sind ein wichtiges Hilfsmittel, um sich einen Überblick zu verschaffen. Das Angebot ist groß, und je mehr man liest, desto mehr erfährt man über die verschiedenen Möglichkeiten. Nicht jeder mag zu euch passen. Sucht euch diejenigen raus, die euch inspirieren und euch dazu bringen, mehr schreiben zu wollen.

 

Außerdem ist der Austausch mit anderen ein wichtiger Aspekt. Ihr selbst könnt nur begrenzt einschätzen, wie eure Texte wirken. Feedback ist deswegen unerlässlich. Sucht euch Schreibbuddys oder investiert in ein Coaching.

 

Und das Wichtigste: Schreibt!

 

 

Fazit

 

Wie jede andere Kunstform setzt auch das Schreiben ein Handwerk voraus. Natürlich ist es möglich, eine Geschichte auch ganz ohne Kenntnisse aufzuschreiben. Aber wenn man einen bestimmten Effekt bei den Lesenden erzeugen will, muss man wissen, wie man seinen Griffel zu schwingen hat. Und selbst wenn man Talent mitbringt, wird es ganz ohne Handwerk nicht gehen.


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