Feedback annehmen, Feedback geben
- post841
- 24. Juli
- 6 Min. Lesezeit
Autor*innen geben ihre Texte ins Lektorat, weil sie sich Feedback wünschen. Und seien wir ehrlich: Natürlich hoffen wir alle, dass wir nur Lobeshymnen und Jubelschreie zurückbekommen. Die Wahrheit aber ist, dass es an unseren Manuskripten wahrscheinlich viel zu verbessern geben wird. Und das tut manchmal weh. Den größtmöglichen Benefit haben wir allerdings nur dann von einem Lektorat, wenn wir das Feedback annehmen und die Kritikpunkte analysieren. Wie uns das gelingt und wie wir vielleicht selbst besser Feedback geben können, darum soll es im Folgenden gehen.
Feedback annehmen
Emotionen managen
Bevor ihr ins kalte Wasser springt, überlegt euch, mit wem ihr springen wollt. Sucht euch ein*e Lektor*in, mit dem/der ihr euch wohlfühlt. Spricht euch die Website an? Gefällt euch der Ton der Texte auf der Website? Wie kommt die Person im E-Mail-Kontakt rüber? Wenn das nicht reicht, bittet um ein Telefonat oder ein Zoom-Gespräch. So kann man sich kennenlernen und ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Außerdem zeigt euch ein Probelektorat, was ihr zu erwarten habt. Das ist eine wichtige Vorbereitung für den Prozess.
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Wenn es dann losgeht und ihr ins Wasser gesprungen seid, wochenlang gewartet habt und das lektorierte Dokument plötzlich in euer Postfach flattert, kommt der Moment der Wahrheit. Vor allem wenn ihr Romane schreibt, ist die Menge an Feedback eventuell überwältigend. Anmerkungen auf jeder Seite, dazu vielleicht noch ein Gutachten mit grundlegenden Änderungsvorschlägen. Das ist viel, und manchmal tut es sogar ein bisschen weh.
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Um mit den ersten Emotionen umzugehen, hilft es, sich einige Dinge vor Augen zu führen:
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Du bist nicht dein Text. Kritik an deinem Text ist keine Kritik an dir und auch keine Kritik an deinen Fähigkeiten, sondern nur an diesem Text.
Du hast ein Lektorat beauftragt, weil du Feedback wolltest. Dies ist deine Chance, deinen Text noch besser zu machen.
Ein Lektorat ist auch immer eine Möglichkeit, etwas für zukünftige Projekte zu lernen. Mit dem Wissen, das du dir hier erarbeitest, wird dein nächster Text noch viel besser als dieser.
Der/die Lektor*in will nur das Beste für deinen Text und für dich als Autor*in. Er/sie ist nicht dein*e Feind*in, sondern dein*e Sparringspartner*in.
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Und lasst das Feedback erst mal sacken. Wenn die Emotionen hochschlagen, ist das nicht der richtige Moment, um mit dem Überarbeiten zu beginnen. Mit etwas Abstand wirkt es sicher nicht mehr so schlimm.
Feedback verstehen
Damit wir einen Benefit aus dem Feedback ziehen können, müssen wir es an erster Stelle verstehen. Dafür ist es notwendig, dass wir nicht in eine Verteidigungshaltung fallen. Gerade wenn unser Stolz angekratzt ist, haben wir den Reflex, uns zu verteidigen. Natürlich hatten wir Gründe, warum wir diese eine Szene so gebaut haben, wie wir sie gebaut haben, aber diese Gründe stehen gerade nicht im Vordergrund. Wichtig ist in diesem Moment, welchen Effekt die Szene beim Gegenüber hat.
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Im direkten Gespräch gibt es dafür die Technik des aktiven Zuhörens. Sie zwingt uns dazu, unsere Position für einen Moment zu verlassen und uns in das Gegenüber hineinzuversetzen. Das gelingt uns besonders gut, wenn wir uns die Aufgabe stellen, das, was das Gegenüber gesagt hat, sinngemäß zu wiederholen. Zum Beispiel: „Du findest also, dass die Kampfszene nicht spannend genug ist, weil zu viel beschrieben wird und deswegen kein Tempo entsteht.“ Hier wird nicht erklärt, nicht emotionalisiert, sondern nur das wiederholt, was gesagt wurde. So kann die tatsächliche Botschaft ganz wertfrei bei uns ankommen.
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Das könnt ihr auch in einem Lektorat machen. Lest euch einen Kommentar mehrere Male durch und schreibt eventuell auf einem separaten Blatt noch mal auf, wie ihr den Kommentar tatsächlich versteht. Falls ihr Fragen habt, stellt sie. Am besten sammelt ihr all eure Fragen und bittet den/die Lektor*in um ein Gespräch.

Feedback bewerten
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Natürlich gilt auch für ein Lektorat: Ihr seid nicht verpflichtet, alle Änderungsvorschläge oder Impulse anzunehmen. Wenn ihr zum Beispiel an den Beschreibungen in der Kampfszene festhalten wollt, weil ihr hier tatsächlich das Tempo drosseln wollt, dann steht euch das selbstverständlich frei. Bewertet das Feedback nüchtern und filtert für euch heraus, was ihr annehmen wollt. Aber seid auch ehrlich zu euch über eure Beweggründe. Sucht ihr gerade händeringend nach einem Grund, diese Szene so zu belassen, wie sie ist, obwohl sie tatsächlich nicht funktioniert? Hier kann es helfen, die Szene doch umzuschreiben und einfach mal auszuprobieren, wie der Text dann wirkt. Wenn es euch nicht gefällt, könnt ihr immer noch zum Ursprungstext zurückkehren.
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Doch Feedback kommt auch von außerhalb des Lektorats, vor allem, wenn ihr Texte bereits veröffentlicht habt oder sie bei Testlesenden, in Schreibgruppen oder in Foren präsentiert. Hier solltet ihr immer hinterfragen, von wem ihr Feedback annehmt und von wem nicht. Ignoriert Feedback, das nicht wertschätzend oder konstruktiv formuliert ist. Wenn jemand nicht euer Bestes im Sinn hat, müsst ihr ihn nicht anhören. Das gilt umso mehr für unerbetenes Feedback, zum Beispiel in Form von Kritiken auf Amazon und Konsorten. Dies sind persönliche Meinungen, die nicht für euch als Autor*innen geschrieben werden, sondern für andere Lesende. Euer Buch kann nicht jedem gefallen, und das ist auch gut so. Das heißt aber nicht, dass ihr irgendwas an eurem Text ändern müsst.
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Feedback geben
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Falls ihr selbst in Schreibgruppen, als Testlesende oder in Foren in die Situation kommt, die Texte anderer zu kritisieren, kann es euch helfen, eure eigenen Erfahrungen aus dem Lektorat mitzunehmen und euch in euer Gegenüber hineinzuversetzen. Fragt euch: Was hilft der Person? Wie kann ich dazu beitragen, den Text besser zu machen? Hier ein paar kleine Regeln:
Wann Feedback geben
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Versucht immer, den eigenen Geschmack auszuklammern. Ihr fandet die Kampfszene blöd, weil ihr generell keine Gewalt mögt? Das ist kein Feedback, das dem Gegenüber weiterhilft. Behaltet es für euch. Wenn ihr doch gefragt werdet, dann sagt ehrlich: „Dieser Text ist nichts für mich, aber das ist ganz persönlich und hat nichts mit seiner Qualität zu tun. Ich würde mich mit Feedback gerne zurückhalten.“
Feedback formulieren
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Wenn ihr konstruktives Feedback habt, kommuniziert es klar und respektvoll. Vermeidet emotionale Ausdrücke und behaltet im Hinterkopf, dass das Gegenüber auch Gefühle hat, die ihr nicht verletzen wollt. Denn: Je weniger ihr die Gefühle verletzt, desto mehr von eurem Feedback kommt an.
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Gebt Feedback mit Ich-Aussagen und anhand von konkreten Beispielen. Beschreibt eure Wahrnehmung und die Wirkung auf euch. Sagt nicht: „Die Kampfszene ist langweilig.“ Sagt stattdessen: „Die Kampfszene hat bei mir nicht so richtig Spannung erzeugt. Ich glaube, es liegt an den vielen Beschreibungen, die den Text länger machen und deswegen das Tempo rausnehmen. Zum Beispiel die Beschreibung der Kleidung des Assassinen hat mich nicht interessiert. Ich hätte lieber gleich mehr vom Kampf gesehen.“
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Haltet euch aber zurück mit Verbesserungsvorschlägen. Dies ist nicht euer Text. Gebt dazu nur Input, wenn ihr darum gebeten werdet.
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Vergesst nicht, auch Dinge zu benennen, die gut funktionieren und die euch gefallen haben. Auch hier helfen konkrete Beispiele den Autor*innen sehr weiter, weil sie so merken, welche Erzähltechniken funktionieren.
Grenzen des Feedbacks
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Genau wie ihr nicht das Feedback von jedem annehmen müsst, muss auch niemand euer Feedback annehmen. Wenn ihr merkt, dass das Gegenüber in eine Verteidigungshaltung rutscht oder sich rechtfertigt, fallt nicht ins Argumentieren. Vielleicht könnt ihr noch einmal euren Standpunkt verdeutlichen, aber dann könnt ihr euch respektvoll zurückziehen. Dies ist nicht euer Text. Kämpft nicht darum.
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In Gruppen ist es manchmal besonders schwierig, das Geschehen unter Kontrolle zu halten. Schnell kochen da die Emotionen hoch und man ist geneigt, andere mit den eigenen Argumenten zu unterstützen. Unterlasst das unbedingt. Wenn eine Person Feedback gibt, ist das nicht der Moment, in dem ihr euch einbringt mit: „Genau denselben Eindruck hatte ich auch.“ Das führt nur dazu, dass sich der/die Autor*in eventuell noch schneller angegriffen fühlt. Wartet ab, haltet euch zurück, bis ihr an der Reihe seid. Dann könnt ihr sagen: „Ich teile den Eindruck von XY bezüglich der Länge der Kampfszene. Auch mir ging es hier zu langsam, ich hätte mir mehr Tempo gewünscht.“
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Fazit
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Feedback anzunehmen, ist eine wichtige Fähigkeit, die euch in eurem Schreibprozess weiterbringt. Im Lektorat sorgt sie dafür, dass ihr das volle Potenzial des Lektorats ausschöpfen könnt. Aber auch in anderen Kontexten kann sie dazu beitragen, euren Schreibstil zu verbessern und viel darüber zu lernen, wie eure Texte bei den Lesenden ankommen. Genauso wichtig ist es, konstruktives Feedback zu geben und dabei wertschätzend und hilfreich zu kommunizieren. Das gilt für das Schreiben genauso wie für viele andere Lebensbereiche. Es kann also nie schaden, es zu üben.
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