Als Lektorin fallen mir eine Menge Manuskripte in die Hände, geschrieben von den unterschiedlichsten Menschen mit ganz verschiedenen Erfahrungshorizonten, sowohl im Leben als auch im Schreiben. Dabei ist mir aufgefallen, dass viele vor allem junge Autoren sich wenig Gedanken um den formalen Aufbau ihrer Bücher machen - was sehr verständlich ist. Immerhin wollen sie eine Geschichte erzählen und sich nicht mit Fragen nach Kapitellänge, Szenenstruktur oder Grammatik aufhalten.
Deswegen starte ich die Reihe „Format und Sprache” auf meinem Blog. Hier soll es um die eher technische Seite des Schreibens gehen. Denn obwohl er für viele Schreibende eher uninteressant wirkt, ist der formale Aufbau eines Manuskripts wichtig für die Leseerfahrung und die Verständlichkeit der Geschichte. Und nicht zuletzt für den Erfolg bei einer Agentur oder einem Verlag.
Heute beginne ich mit der Frage: Wo mache ich Umbrüche und Absätze?
Kurz zum Verständnis: Umbruch ist der Fachausdruck für eine neue Zeile. Ich unterscheide zwischen Absätzen mit einfachem Umbruch und Absätzen mit doppeltem Umbruch. Bei Ersteren beginnt der nächste Satz einfach in einer neuen Zeile (1x Enter-Taste), bei Zweiterem wird zusätzlich eine Leerzeile oder sogar ein Seitenumbruch hinzugefügt. Beginnen wir mit den einfachen Absätzen.
Wieso überhaupt Absätze?
Gesehen habe ich schon alles: von seitenlangem Fließtext ohne einen einzigen Absatz bis zu Seiten, auf denen beinahe jeder Satz in einer neuen Zeile beginnt. Keines dieser Extreme ist erstrebenswert, und das richtige Maß zu finden, ist eine Kunst, die sich vor allem nach dem Inhalt des Textes richten sollte. Denn: Form follows function! Immer!
Aber wieso machen wir überhaupt Absätze? Ihre vornehmliche Funktion liegt darin, dass sie den Text strukturieren und so dem Leser bei der Orientierung auf der Seite helfen. Man rutscht nicht so leicht aus der Zeile und findet schnell zurück in den Text, wenn man mal woanders hingucken musste. Inhaltlich ist ein Umbruch außerdem wie eine kurze Pause für den Leser, ein Aufatmen. Er zeigt an, dass hier etwas Neues beginnt, dass ein Gedanke abgeschlossen ist und das Folgende nicht mehr in direktem Fluss zu dem Vorherigen gehört. Hier ein Beispiel, mal wieder aus dem großartigen Buch „Die unendliche Geschichte” von Michael Ende:
Im ersten Absatz nehmen wir gemeinsam mit Atréju die veränderte Situation wahr, wir blicken uns um, finden uns in der neuen Umgebung zurecht. Der zweite Absatz setzt mit Handlung ein. Wir gehen raus aus der rein wahrnehmenden Position und treten in Aktion. Vor allem nach sehr langen Beschreibungen bieten sich Absätze an, um einen Anstoß für neue Dynamik zu geben: Wir gucken nicht mehr nur, wir tun jetzt was. Also Luft holen und los!
Wichtig ist aber, dass man es mit den Umbrüchen nicht übertreibt. Erstens stört die dadurch entstehende visuelle Unordnung auf der Seite den Lesefluss, zweitens kann es verwirrend wirken, wenn zwei Sätze, die eigentlich in direktem Zusammenhang miteinander stehen, durch einen Absatz getrennt werden. Wie viele Umbrüche genau richtig sind, kann nur der Text selber vorgeben. Und sicher lässt sich über Absätze streiten, und eine gute Portion Geschmack kommt außerdem hinzu. Trotzdem sollte jeder Autor und jede Autorin bewusst mit Absätzen umgehen und sie nicht ignorieren, da sie das Leseerlebnis maßgeblich beeinflussen.
Absätze mit doppeltem Umbruch - Szenenwechsel
Ein Absatz mit doppeltem Umbruch, bei dem eine zusätzliche Leerzeile eingefügt wird, markiert eine Unterbrechung in der Handlung der Geschichte, also einen Szenenwechsel. Dies kann eine zeitliche Unterbrechung sein (es werden ein paar Stunden/Tage/Wochen übersprungen), eine räumliche (wir wechseln abrupt von einem Zimmer in ein anderes oder von einem Planeten zum nächsten) oder beides. Auch hier kommt es sehr auf den Inhalt an, ob ein einfacher oder ein doppelter Umbruch passend ist.
Beispiel: Eine Bande legt sich auf die Lauer, um eine Postkutsche zu überfallen. Allerdings müssen die Banditen einige Stunden in ihrem Versteck warten. Diese Zeit will man natürlich nicht in jeder Einzelheit beschreiben - das wäre zu langweilig. Also unterschlägt der Autor sie und beginnt mit: „Es vergingen zwei Stunden, bis die Postkutsche endlich auftauchte.” Weil hier die Handlung nach der Pause quasi nahtlos fortgeführt wird, würde ich einen einfachen Absatz machen. Im Gegensatz dazu: Ein Gast trifft auf einem hochherrschaftlichen Landsitz ein und wird vom Gutsbesitzer begrüßt. Der Ankömmling wird in sein Zimmer geführt, man unterhält sich vielleicht und endet mit: „In zwei Stunden gibt es Abendessen im Salon.” Wenn wir dann zwei Stunden später wieder einsetzen, hat sich die Handlung verändert: „Zwei Stunden später betrat Gaston frisch gewaschen und herausgeputzt das von Kerzen erleuchtete Esszimmer.” Ort und Zeit haben sich geändert, außerdem ist die Handlung eine andere – von der Ankunft zum Abendessen. In einem solchen Fall würde ich einen doppelten Absatz empfehlen. Er erlaubt dem Leser, das Ambiente der vorherigen Situation loszulassen und sich auf die neuen Gegebenheiten einzulassen.
Ein Absatz mit doppeltem Umbruch sollte immer gemacht werden, wenn wir von einer Erzählperspektive in eine andere wechseln, also eine andere Figur bei ihren Handlungen begleiten. Damit vermeiden wir das sogenannte Headhopping, also das Springen zwischen den Köpfen der Figuren, was den Leser verwirrt. Wer mehr über Erzählperspektiven wissen will, kann hier weiterlesen.
Wörtliche Rede
Besondere Regeln für den Gebrauch von Umbrüchen gibt es in Dialogen. Hier gilt, dass immer dann ein Absatz zu machen ist, wenn von einem Sprecher zum anderen gewechselt wird. Das schließt die Handlungen mit ein, die während des Dialogs passieren. Hier ein Beispiel:
Wenn man diese Struktur sauber einhält, erlaubt einem das in Dialogen mit nur zwei Personen ganz auf die Sprechverben zu verzichten. Der Leser wird auch ohne „er sagte” oder „sie antwortete” wissen, wer gerade spricht - eine sehr elegante Lösung.
Die erste Zeile einrücken
In Büchern sieht man immer, dass die erste Zeile eines Absatzes eingerückt ist. Auch dies dient der besseren Lesbarkeit des Textes. Selfpublisher sollten deswegen beim Layouten ihres finalen Buches darauf achten, diesen Standard auch anzuwenden, und ihren Text dahingehend formatieren. Alle Textprogramme bieten diese Funktion an unterschiedlicher Stelle, meistens nennt sie sich „Einzug” und kann in den Menüs zu „Format” oder „Absatz” gefunden werden.
In Rohmanuskripten, die man an Agenturen und Verlage schickt, sollte man hingegen so wenig Formatierungen wie möglich verwenden. Allerdings weichen die vormals sehr strikten Regeln sich gerade auf. Wenn Sie als Autor*in also das Gefühl haben, dass Ihr Text mit Einzug der ersten Zeile sehr viel lesbarer wird, sollten Sie dem Personal in der Agentur oder beim Verlag dieses Vergnügen nicht vorenthalten. Bedenken Sie immer: Ihr Ziel ist die optimale Leseerfahrung!
Fazit
Wer seinen Leserinnen und Lesern ein angenehmes Leseerlebnis bieten möchte, sollte viel Wert auf eine sinnvolle Struktur des Textes legen. Absätze erlauben es, den Text in zusammengehörige Sinnabschnitte aufzuteilen, und bieten außerdem visuelle Orientierung auf der Seite. Das richtige Maß ist wichtig, und ein bewusster Umgang mit Absätzen und Umbrüchen ist deswegen unerlässlich. Selbstverständlich helfen Lektorinnen und Lektoren dabei, Absätze richtig zu setzen. Wenn Sie Hilfe bei Ihrem Manuskript brauchen, melden Sie sich gerne bei mir.
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