Für alles gibt es eine Software, natürlich auch fürs Schreiben. Aber brauchen Autoren notgedrungen ein Schreibprogramm außer Word, und womit können diese Tools tatsächlich helfen?
Ich bin derzeit selbst auf der Suche nach einer neuen Schreibsoftware, weil ich das Gefühl habe, ein paar Funktionen fehlen mir. Dieser Beitrag ist also ein Resultat meiner eigenen Recherche. Sie ist nicht vollständig, aber ich hoffe, euch einen Überblick geben zu können.
Haben alle erfolgreichen Autoren ein Schreibprogramm?
Nein, natürlich nicht. Neulich erst habe ich ein Interview mit der Bestseller-Autorin Katja Brandis geführt. Sie benutzt nur Word. Sie organisiert ihre Geschichten in verschiedenen Dokumenten, aber eine besondere Software hat sie nicht. (Wer das ganze Interview hören will: Hier ist der Link.)
Natürlich gibt es auch immer noch diejenigen, die die erste Fassung mit der Hand schreiben. Andere organisieren sich mit Excel, wieder andere legen sich riesige Ordner an. Ordnung und Struktur sind eine Typfrage, und natürlich sollte man immer mit den Tools arbeiten, die die Arbeit erleichtern.
Was können Schreibprogramme?
Prinzipiell liegt der Sinn eines Schreibprogramms darin, den Prozess transparenter zu machen und bei der Organisation zu helfen. Ein Roman von mehreren Hundert Seiten in einem einzigen Word-Dokument kann schon mal unübersichtlich werden. Wie lang sind die einzelnen Kapitel? Wie oft taucht welche Figur auf? Welche Information wird wann gestreut? Es kommt schneller zu Copy-Paste-Fehlern, wenn ein ganzer Abschnitt an eine andere Stelle verschoben wird. Und mitunter dauert es ewig, eine bestimmte Stelle zu finden.
Genau dabei sollen Schreibprogramme helfen. Natürlich gibt es viele verschiedene, die unterschiedliche Bedürfnisse bedienen, aber sie alle haben gemeinsam, dass sie das Mammut-Projekt Roman übersichtlicher machen und dabei helfen, alle Aspekte der Arbeit im Blick zu behalten.
Ich persönlich habe mich für ein Schreibprogramm entschieden, als mir klar wurde, wie gerne ich in Kapiteln und Szenen arbeite. Ich wollte deswegen ein Programm, das meinen Roman in diese Bereiche einteilt und mir erlaubt, sie individuell zu bearbeiten und zu verschieben, sie aber trotzdem immer im Kontext des Gesamtwerkes zu sehen, also nicht in einer separaten Datei.
Außerdem liefern Schreibprogramme Hilfestellungen beim Plotten (zum Beispiel durch Mindmaps und Timelines), bei der Charakterentwicklung in Form von Figurenblättern, sie unterstützen bei der Rechtschreibung und manchmal sogar beim Stil. Sie bieten zudem viele Exportformate, was vor allem für Selfpublisher interessant ist.
Welche Schreibprogramme gibt es?
Papyrus Autor
Der Platzhirsch am deutschen Markt ist wahrscheinlich Papyrus Autor. Papyrus entspricht auf den ersten Blick eher einem Volltextprogramm wie Word, da der gesamte Roman quasi in einer Ansicht dargestellt wird. Die Anfänge von Kapiteln und Szenen kann man durch Markierungen im Text hinzufügen, die daraus resultierende Struktur wird schön visuell dargestellt, und einzelne Bausteine können über Drag-and-drop verschoben werden.
Papyrus bietet außerdem eine Vielzahl an Features, die man sich eventuell über einen gewissen Zeitraum erarbeiten muss. Eine Timeline stellt den Ablauf der Geschichte dar, es gibt eine Figurendatenbank und eine komplexe Stilanalyse, um nur ein paar zu nennen. Alle Funktionen aufzulisten, würde zu weit führen.
Scrivener
Dies ist das im englischsprachigen Raum am meisten benutzte Tool. Scrivener basiert auf der Arbeit mit Szenen und Kapiteln und bietet deswegen eine sehr übersichtliche Struktur. Andere Features sind schmaler gehalten: Es gibt keine Figurendatenbank, sondern nur Blätter, die einzelnen Funktionen sind weniger miteinander verknüpft und in der Version für Windows fehlt eine Timeline komplett. Dafür ist Scrivener schmal und handlich im Design.
Patchwork
Diese Software kommt auch aus Deutschland und sieht auf den ersten Blick sehr nach einem Overkill aus. Sie bietet unfassbar viele Funktionen und Hilfestellungen (beim Plotten werden zum Beispiel sechs verschiedene Plot-Modelle zur Orientierung angeboten), hat sehr viele Fenster und automatisiert einige Prozesse. Was im ersten Augenblick unübersichtlich aussieht, lässt sich nach einiger Einarbeitungszeit personalisieren, sodass das Interface nur die Funktionen zeigt, die man auch wirklich braucht. Nichts für Minimalisten!
Andere
Außerdem gibt es viele kleinere Produkte, die bei bestimmten Aufgaben des Schreibprozesses helfen, beim Plotten, beim Worldbuilding, beim Malen von Karten, beim Kreieren von Sprachen. Der Markt ist voll, eine eingehende Recherche lohnt sich, wenn man eine größere Aufgabe vor sich hat und Stift und Papier nicht wie das richtige Werkzeug erscheinen. Die meisten Programme bieten Testversionen, sodass man sie ausprobieren kann, bevor man sich für eine Investition entscheidet.
Den eigenen Workflow finden
Wie bei den meisten Dingen im Leben gibt es leider keine Patentlösung, die ich uneingeschränkt jedem empfehlen kann. Das wichtigste ist, dass man sich als Autor*in nicht von den vielen Spielzeugen ablenken und verwirren lässt. Sie sollen eine Hilfestellung sein, nichts anderes. Wenn sie nicht helfen, nützen sie auch nicht. Wer am besten an einer Schreibmaschine arbeiten kann, soll das auch weiterhin tun.
Deswegen muss es jedem selbst überlassen bleiben, den perfekten Workflow zu finden und über die Jahre auszubauen. Meist stößt man zu einem späteren Zeitpunkt auf neue Bedürfnisse in der Arbeit und merkt, dass man den Workflow anpassen muss. Dann geht die Recherche von vorne los. Aber neue Gewohnheiten können auch neuen Antrieb liefern. Die Hauptsache ist und bleibt, dass am Ende eine spannende Geschichte entsteht.
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