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Eine Reise durchs thüringische Outback ...

... oder wie ich beinahe meinen Verlag nicht getroffen hätte.


Frühjahr 2018. Ich im Zug, dick bepackt mit beinahe tausend Seiten Papier, mein Manuskript, zweimal überarbeitet, in dreifacher Ausfertigung. Ich bin auf dem Weg zur Leipziger Buchmesse, um auf dem jährlichen Meet & Greet zwischen Verlagen und Autoren mein Buch feilzubieten. Es ist Samstagmorgen, das Event findet am Sonntag statt, genug Zeit, um entspannt von München nach Leipzig zu fahren und dort einen netten Nachmittag bei meinem Freund Hagen und seinem charmanten Dackel zu verbringen.


Und dann, der Schnee.


Wer sich an die Leipziger Buchmesse 2018 erinnert, wird noch wissen, dass alle Nase lang Vorträge ausfielen, dass Hunderte von Terminen geplatzt sind, dass der gesamte ÖPNV zum Erliegen kam. Wegen Rekordkälte und Schneeeinbruch waren Straßen, Bahnhöfe und Flughafen gesperrt. Ostdeutschland im Ausnahmezustand.


Davon weiß ich noch nichts, als der ICE aus dem Münchner Bahnhof fährt. Als wir allerdings keine Stunde später in Nürnberg ankommen mit der Ansage, der Zug könne nicht weiterfahren, man wisse jetzt auch nicht, wie es weitergehen würde, ist für mich der Ofen eigentlich schon aus. Erste Reaktion: Handy raus, Mann anrufen, rumheulen. Ganz klar, das mit dem Buch soll nichts werden, das Universum ist gegen mich, wie konnte ich mir nur einbilden, dass das funktionieren könnte. Nein, ich bin nicht stolz auf meine Jämmerlichkeit in dem Moment, aber sie hat mich gerettet.


Denn anscheinend meckere ich laut genug, dass der junge Mann hinter mir mithören muss. Er spricht mich also an, er müsse auch nach Leipzig, er hätte da eine Idee. Sein Name ist Erik, und er ist mein Retter.


Erik lotst mich und eine andere Dame in einen Regionalzug Richtung Bamberg. Nachdem wir uns eingerichtet haben und der Zug auch tatsächlich planmäßig losfährt, tauschen wir unsere Schicksale aus. Erik stammt, soweit ich mich erinnere, aus Erlangen und hat in Leipzig studiert. Als Konsequenz kennt er das Regionalbahnnetz in der Gegend wie seine Westentasche und kann sich an alle Umstiege und Zugnummern erinnern. Wieso die Regionalbahnen noch fahren, während der ICE-Verkehr zum kompletten Stillstand gekommen ist, das wissen nur die Götter der Deutschen Bahn, aber wir kommen voran.


Über Saalfeld geht es ins thüringische Outback. Der Anblick ist pittoresk, verschneite Hügelandschaften, kleine Dörfchen. Wir unterhalten uns gut und teilen unsere Kekse. Erik erzählt mir von der Geschäftsreise, von der er gerade kommt, und dass er eigentlich am Vortag schon von München nach Leipzig hätte fahren sollen, sich aber noch mit Freunden treffen wollte. Und ich denke nach über Zufälle und das Universum, dem ich wahrscheinlich egal bin und das in diesem Moment trotzdem meine Dankbarkeit verdient.


Um halb neun kommen wir schließlich in Leipzig an. Bis auf eine Traube von Menschen um den Informationskiosk ist der Bahnhof wie ausgestorben. Erik und ich verabschieden uns, wir tauschen keine Kontaktdaten aus, aber ich danke ihm. Wie sehr, das wird er vielleicht nie herausfinden.


Am nächsten Tag habe ich meinen ersten von drei Pitches mit der lieben Frau Sechtig vom Acabus Verlag. Wie passend, dass ich ihr erzählen kann, dass ich es wegen der Bahn beinahe nicht zu diesem Treffen geschafft hätte. Immerhin heißt mein Buch „Entgleist”. Immerhin geht es darin um einen Mann, der sich von einem Zug überfahren lassen will, aber der Zug kommt nicht. Nach dem Pitch sagt sie, sie hätte Gänsehaut. Im Juni unterschreibe ich den Vertrag.


Danke, Erik, danke!


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