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Von guten und schlechten Verben

Aktualisiert: 27. Jan.

Verben sind für die Literatur das Salz in der Suppe. Wir wollen lesen, was Menschen tun, und das sehen wir in den Verben. Deswegen ist es unumgänglich, dass wir ein genaues Augenmerk auf diese Wortart legen.

 

 

Das beste aller Verben


Wenn unsere Geschichte prägnant sein und die Lesenden mitreißen soll, müssen wir als Schreibende genau hinschauen und das Verb wählen, das am besten ausdrückt, was wir zeigen möchten. Es macht einen Unterschied, ob jemand geht, läuft, schreitet, schlurft, spaziert, marschiert, flaniert, rennt oder gar torkelt. Jedes Verb löst ein eigenes Bild aus, gibt einen Kontext vor, schafft einen Rahmen und erzeugt eine individuelle Spannung.

 

Ein guter Indikator, dass ihr noch nicht das perfekte Verb gefunden habt, ist, wenn ihr ein Adverb benutzt. Denn das Adverb modifiziert euer Verb in eine bestimmte Richtung, und dort gibt es bestimmt noch ein passenderes Verb.

 

Er ging schnell die Treppe hinunter.

 

Das Adverb schnell zeigt an, dass gehen hier vielleicht nicht das beste aller Verben ist. Stattdessen könnte die Person hasten, eilen, rennen oder hetzen.

 

Sie sagte laut seinen Namen.

 

Vielleicht rief sie ihn, schrie ihn sogar. Vielleicht ist es auch ein förmlicher Rahmen und sie verkündete seinen Namen.

 

Ihr seht, Verben sind vielseitig, und das richtige Verb verleiht (hier habe ich erst „gibt” geschrieben, mich dann aber umentschieden) einem Satz eine besondere Würze.



Vampirverben

 

Doch nicht alle Verben sind gut. Vampirverben tragen ihren Namen, weil sie einen Text leersaugen. Sie verwässern Bedeutungen und entziehen dem Geschriebenen jegliche Spannung. Ein Beispiel:

 

Er begann, sich gegen seine Fesseln zu stemmen, und versuchte, sich gegen seinen Gegner zu wehren.

 

In diesem Satz stehen zwei Verben im Vordergrund, nämlich beginnen und versuchen. Die aktiven Verben stemmen und wehren sind in die Nebensätze verbannt und ihre Kraft ist durch die beiden anderen geschwächt. Viel schöner wäre:

 

Er stemmte sich gegen seine Fesseln und wehrte sich gegen seinen Gegner.

 

Merkt euch: Wenn ihr ein schwaches Verb in den Vordergrund stellt und ein starkes Verb in den Nebensatz schiebt, habt ihr es wahrscheinlich mit einem Vampirverb zu tun. Hierzu zählen auch anfangen, scheinen, können uvm.

 


Durch die Sinne einer Figur


In der Literatur erleben wir die Welt meist durch die Perspektive einer Figur, entweder in der dritten Person der personalen Erzählperspektive oder noch unmittelbarer durch die Ich-Perspektive (hier erfahrt ihr mehr über Erzählperspektiven). Was passiert und somit erzählt wird, geht also automatisch den Weg durch die Sinne dieser Figur. Leider schlägt sich das zu oft in der Benutzung der Verben nieder:

 

Ich sah, wie eine Sturmfront auf mich zuraste, und hörte das Grollen des Donners.

 

Im Zentrum stehen hier die Verben sehen und hören, also Verben der Wahrnehmung. Doch wichtig ist hier nicht, dass die Figur diese Dinge wahrnimmt, sondern dass sie passieren. Besser wäre:

 

Eine Sturmfront raste auf mich zu und der Donner grollte.

 

Dass die Figur diejenige ist, die diese Dinge sieht und hört, ist selbsterklärend. Achtet in diesem Zuge auch auf Verben wie glauben, denken, spüren, fühlen.



Ausnahmen


Natürlich ist das Ziel nicht, all diese Verben immer zu vermeiden. Wenn es darum geht, dass eine Figur etwas versucht, damit aber zum Beispiel scheitert, dann ist versuchen natürlich das angemessene Verb. Ebenso passt ein Verb der Wahrnehmung, wenn der Akt des Wahrnehmens im Vordergrund stehen soll. Fragt euch also: Was ist die zentrale Handlung in meinem Satz und habe ich die durch die Wahl des perfekten Verbs angemessen in Szene gesetzt?


Natürlich achtet das Lektorat auf die Auswahl der Verben und hilft euch dabei, eure Texte knackiger zu gestalten. Schreibt mir gerne!


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