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Wie lang sollte ein Satz sein?

Wer mit einem Schreibprogramm wie Papyrus oder einem KI-gesteuerten Korrekturprogramm wie Language Tool arbeitet, kennt das: Hat der Satz mehr als 30 oder 40 Wörter, wird er unterkringelt. Zu lang! Im Internet findet man außerdem viele Artikel über die optimale Satzlänge. 9 Wörter seien optimal, 14,5 Wörter der Durchschnitt. Was all diese Vorgaben jedoch vernachlässigen, ist das zentrale Thema: die Verständlichkeit unserer Texte.




Qualität vor Quantität

 

Wir wollen, dass unsere Texte so schnell und so gut wie möglich verstanden werden. Zugegeben: Sehr lange Sätze sind im Deutschen meist schwerer verständlich. Das liegt vor allem daran, dass im Deutschen das Verb oft am Ende des Satzes liegt. In diesen Fällen müssen wir bis dahin warten, um zu erfahren, was gerade passiert.

 

Es gibt jedoch auch andere Fälle. Mit ein bisschen Bedacht kann auch ein sehr langer Satz verständlich sein, kann sich über viele Zeilen ziehen, ohne dass wir beim Lesen den Anschluss verlieren oder uns in komplizierten grammatikalischen Strukturen verfranzen, denn nicht die Satzlänge ist es, von der die Verständlichkeit abhängt, sondern der Aufbau des Satzes, weswegen dieser Satz, der sechzig Wörter hat, trotz allem verständlich ist. Es gibt ganze Romane, die quasi ohne Punkte auskommen, und dennoch flüssig zu lesen sind.

 

Ihr seht: Die Anzahl der Wörter allein sagt nichts darüber aus, ob ein Satz verständlich ist oder nicht. Auch kurze Sätze können sehr kompliziert strukturiert sein. Lasst euch also nicht von der Quantität ablenken, sondern achtet auf die Qualität eurer Sätze.

 

 

Satzlänge als Stilmittel

 

Vielleicht stellt ihr euch die Frage: Wenn bei langen Sätzen das Risiko besteht, Verständlichkeit einzubüßen, wieso dann überhaupt lange Sätze benutzen? Weil die Satzlänge viel zur Atmosphäre des Textes beiträgt. Sie ist wie der Puls eurer Geschichte, wie das Rauschen des Flusses, auf dem eure Erzählung treibt. In ruhigen Sequenzen sorgen längere Sätze für einen sanften Puls. Sie vermitteln Tiefe, Gelassenheit, Nachdenklichkeit.

 

In actionreichen Sequenzen beschleunigt ihr mit kurzen Sätzen den Puls, als würdet ihr über Stromschnellen paddeln. Da holpert und schüttelt es. Überall passieren Dinge gleichzeitig. Wenn das Tempo in der Erzählung raufgeht, dann sollte sich das im Satzbau spiegeln.

 

Achtet jedoch immer auf Variation. Wenn alle Sätze eine ähnliche Länge und einen ähnlichen Aufbau haben, wirkt das schnell eintönig. Wechselt deswegen zwischen längeren und kürzeren Sätzen ab und bringt so Dynamik in den Text.

 

 

Satzlänge und Zielgruppe

 

Bedenkt auch bei der Satzlänge euer Publikum. Je nach Genre sind andere Vorgaben üblich. Leser*innen von Romanen der sogenannten E-Literatur sind es gewohnt, mit komplizierterem Satzbau klarzukommen. Vielleicht finden sie sogar einen besonderen Gefallen daran.

 

Wollt ihr allerdings Menschen erreichen, die noch nicht lange oder generell nicht viel lesen, ist ein einfacher Satzbau angebracht. Kurze Sätze erleichtern den Lesenden hier den Zugang zu euren Texten. Arbeitet vor allem mit Hauptsätzen und baut nur einfache Nebensatzkonstruktionen ein.

 


Infodumping

 

Wie prüfe ich die Verständlichkeit meiner Sätze?

 

Das große Problem beim Umgang mit unseren eigenen Texten ist: Wir wissen, was wir sagen wollen. Einem Satz, den wir geschrieben haben, begegnen wir nie wieder zum ersten Mal. Deswegen fällt es uns selbst schwer, seine Verständlichkeit einzustufen. Wie schaffen wir es dennoch?

 

Lasst euch Zeit zwischen dem Schreiben und dem Überarbeiten. Mit ein paar Wochen Abstand ist der Text euch nicht mehr ganz so präsent und euch fällt eher auf, wenn etwas zu kompliziert formuliert ist. Auch lautes Vorlesen hilft dabei, Unverständlichkeiten zu entlarven.

 

Ein weiteres hilfreiches Mittel sind Testleser*innen. Sucht euch Personen, die eurer Zielgruppe entsprechen, und bittet sie darum, schwer verständliche Sätze oder Passagen zu markieren. Und natürlich gibt ein Lektorat eurem Text den letzten Schliff.



Fazit

Lasst euch nicht von geistlosen Schreibprogrammen vorschreiben, wie lang eure Sätze sein dürfen. Achtet vielmehr darauf, ob ihr eure Botschaft rüberbringt und ob euer Text die passende Atmosphäre vermittelt.


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