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Wie schreibe ich mein Buch fertig?

Aktualisiert: 27. Jan.

Ein Buchprojekt ist schnell begonnen. Die ersten Sätze fliegen wie von alleine aufs Papier, das erste Kapitel schreibt sich quasi von selbst, doch irgendwann kommen alle Autoren an den Punkt, wo aus dem Spaß harte Arbeit wird. Die meisten von denen, die ein Buch beginnen, schreiben es nicht zu Ende, und viele wunderbare Geschichten erblicken nie das Licht der Welt. Wie schaffen wir es, am Ball zu bleiben, und was heißt überhaupt „fertig”? Ein paar Gedanken aus meiner eigenen Erfahrung.




Die eigene Nase


Ich schreibe diesen Artikel aus einem sehr persönlichen Anlass. Ich werde in diesem Jahr noch (also innerhalb der nächsten zwei Tage) meinen zweiten Roman beenden. Gestern habe ich das letzte ungeschriebene Kapitel abgeschlossen, und jetzt muss ich nur noch das letzte Kapitel anpassen, damit es zum Rest der Geschichte passt.


Ich sage euch das auch, damit ich mir selbst noch mehr Druck mache. Denn diese letzten Arbeiten haben schon einige Deadlines gesehen und an sich vorbeiziehen lassen. Ich wollte es an meinem Geburtstag beenden – das war im Juli. Dann bis zum Ende des Sommerlochs, also bis Ende August. Dann hatte ich den NaNoWriMo im Visier, doch alle diese Deadlines habe ich nicht eingehalten, habe mich förmlich vor dem Schreiben gedrückt, mir immer wieder Ausreden gesucht. Damit ist jetzt Schluss. Und es fühlt sich gut an.


Aber ich musste auch herausfinden, was mich vom Schreiben abgehalten hat. Die Gedanken darüber haben mir gezeigt, wie komplex die Ausreden und Ängste und Faktoren sind, wie viele Aspekte mitspielen. Und ich musste sie alle konfrontieren, um nun endlich an den Punkt zu kommen, an dem ich bin – wenige Stunden entfernt von den Worten: THE END.



Was heißt eigentlich fertig?


Wenn ich sage, dass ich meinen Roman beende, dann meine ich damit die erste Fassung. Das ist ein riesiger Schritt, denn es ist viel leichter, etwas zu verändern, was schon da ist, als etwas neu zu erschaffen. Dennoch ist mir sehr bewusst, dass die Arbeit damit nicht getan ist. Es folgen noch Überarbeitungsrunden und Testleser und hoffentlich ein Lektorat, vorausgesetzt dass jemand das Buch haben will. Ein Buch ist für mich persönlich erst fertig, wenn ich die Korrekturfahne abgegeben habe und das Baby in den Druck geht. Danach kann man eventuell noch ein paar Rechtschreibfehler korrigieren, aber es wird sich nichts Grundlegendes mehr ändern. Es ist also noch viel zu tun.


Dieser Gedanke ist gleichzeitig Fluch und Segen. Fluch, weil die Euphorie über das Geschaffte schnell vergeht im Angesicht der Arbeit, die noch vor einem liegt. Doch für mich ist es mehr Segen, denn ich bin eine Perfektionistin. Wenn ich festhänge und alles hasse, was ich schreibe, hilft mir der Gedanke, dass ich nachher alles ändern kann. Dann erlaube ich mir, ein unpassendes Verb oder einen schiefen Vergleich stehen zu lassen und nicht stundenlang nach einer Alternative zu suchen. Weil ich weiß, dass ich zurückkommen werde an die Stelle und mit etwas Abstand eine gute Lösung finden werde. Gäbe es die Überarbeitungsrunden nicht, hätte ich niemals einen Roman geschrieben aus Angst, dass er einfach zu schlecht ist.




Wovor haben wir Angst?


Viele schlaue Social Media Memes sagen, dass Prokrastination nur eine Manifestation der eigenen Ängste ist. Wenn man etwas aufschiebt, fürchtet man sich vor irgendetwas. Außer natürlich, man hat einfach keinen Bock drauf, wie Fenster putzen zum Beispiel, aber das klammern wir einfach mal aus.


Wovor habe ich Angst? Ich habe schreckliche Angst, dass niemand das zweite Buch haben will. Dass es schlechter ist als das erste, obwohl es mir so viel näher ist und viel mehr bedeutet. Dass die ganze Arbeit zu nichts führen wird und ich wieder von vorne mit einer neuen Geschichte anfangen muss, von der ich ebenso wenig weiß, ob sie Leser finden wird. Auch deswegen habe ich es vor mir hergeschoben.


Ich begegne diesen Ängsten mit einer Mischung aus Hoffnung und Verdrängung. Ob das eine gesunde Strategie ist, kann ich nicht sagen, mir hilft sie. Ich kann die Zukunft nicht vorhersehen, aber ich weiß, dass ich nie herausfinden werde, was mit dem Roman passiert, wenn es keinen Roman gibt.


Ihr habt vielleicht ganz andere Ängste. Kann dieses Buch an den Erfolg der anderen anknüpfen? Werden die Fans es mögen? Wird meine Familie mich auslachen? Werde ich zerrissen werden? Werde ich mit der Aufmerksamkeit klarkommen, wenn das Buch erfolgreich ist? Wir alle stehen an verschiedenen Schwellen in unserem Autor*innenleben und haben ganz unterschiedliche Sorgen. Sie alle sind berechtigt. Und wir sollten uns über unsere Ängste und Sorgen im Klaren sein, ihnen mit Offenheit begegnen und ihnen dann sagen, dass jetzt noch nicht der Zeitpunkt für sie ist. Ohne ein Buch sind all diese Ängste leeres Geschwätz. Sie sollen uns arbeiten lassen und sich wieder melden, wenn das Buch fertig ist.



Was lenkt uns ab?


Und dann ist da natürlich der Alltag. Die Arbeit, die Familie, Urlaube, Haushalt, Freunde, Garten … all die Dinge, die zum Leben eben dazugehören. Bevor ich mich für diesen Blogartikel hingesetzt habe, habe ich ausgiebig mit meinem Mann gefrühstückt, die Wäsche gemacht und die Fettreste unseres gestrigen Frittierfestes weggespült – unsere Küche ist so klein, dass sie keine Spülmaschine erlaubt. Und ich schreibe diesen Blogartikel, anstatt mein Buch fertigzustellen. In den letzten Monaten habe ich die Arbeit vorgeschoben, meine ehrenamtliche Mitarbeit beim Literatur Radio Hörbahn, ich habe „The Affair” gebingt. Alles, anstatt zu schreiben.


Die Wahrheit ist: Es wird immer irgendwas geben, was dringender aussieht. Eine Maschine Wäsche, ein schneller Einkauf, ein kurzes Telefonat mit der Mutter. Welchen Unterschied macht es, ob ich diese Seiten heute oder morgen schreibe? Oder nächste Woche? Und so vergehen Monate.



Wie setzen wir Prioritäten?


Die wenigsten von uns können das Schreiben wirklich an die erste Stelle setzen. Wir müssen Geld verdienen, uns um die Familie kümmern, es gibt Verpflichtungen und unsere eigene Gesundheit. Aber wenn wir ein Projekt jemals fertigstellen wollen, darf es nicht immer wieder ans Ende der Prioritätenliste rutschen.


Mir hilft, das Schreiben neu zu definieren. Für mich gehört das Schreiben inzwischen auch zur Arbeit. Genau wie dieser Blogartikel. Das macht es wichtiger, als ein schönes Abendessen zu kochen oder die Blumen im Garten zu pflegen. Am besten komme ich mit dem Schreiben voran, wenn ich mir jeden Tag eine Stunde Zeit nehme, in der ich nichts anderes mache, als an meinem Romanprojekt zu arbeiten. Das ist eine Lösung, die oft empfohlen wird, die aber sicher nicht für jeden funktioniert. Andere arbeiten besser in Blöcken, zum Beispiel in einem zweiwöchigen Urlaub, oder sie nehmen sich einen Tag in der Woche, der der Arbeit an dem Buch gewidmet ist. Wichtig ist, denke ich, dass es irgendeine Form von Struktur gibt, denn wer auf den richtigen Zeitpunkt wartet, der wartet vergebens.



Kleine Erfolge feiern


Ein Buch zu schreiben ist eine riesige Aufgabe. Wer mit 300 bis 500 Seiten rechnet, für den fühlen sich drei geschriebene Seiten nach nichts an. Spätestens ab der Mitte des Buches kommt es einem wie absolute Sisyphos-Arbeit vor. Deswegen ist es wichtig, kleine Erfolge zu feiern. Das erste Kapitel? Cocktail. Die ersten 50 Seiten? Schickes Abendessen. Bei jeder 10.000-Wörter-Hürde sollte man sich ausgiebig auf die Schulter klopfen. Dass wir es trotz all der möglichen Ablenkungen und trotz des Alltags und trotz des Stresses geschafft haben, diese Hürde zu nehmen, verdient Respekt. Gebt ihn euch! Twittert! Instagramt! Esst Schokolade oder trinkt Champagner oder macht einen Spaziergang, was auch immer für euch eine Belohnung ist. Belohnt euch! Ihr macht das super!


In dem Sinne wünsche ich uns allen, dass wir im nächsten Jahr wieder ein paar Schritte weiterkommen. Wie viele, das liegt bei jedem von euch selbst. Vergleicht euch nicht, jeder hat eine andere Lebenssituation, andere Dämonen, andere Ängste, andere Hürden zu überwinden. Und dann wird es auch irgendwann fertig sein, das verdammte Buch.



Euch brennt ein Thema auf der Seele, über das ich einen Artikel schreiben soll? Sagt mir Bescheid.


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