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Wie entwerfe ich eine gute Hauptfigur?

Aktualisiert: 27. Jan.

Unsere Geschichten stehen und fallen mit den Figuren. Sie sind es, die unsere Leser*innen fesseln und dazu bringen, das Buch nicht wegzulegen. Insofern stecken wir viel Zeit in die Figurenentwicklung vor allem unserer Protagonisten. Wie sieht so etwas aus? Hier ein paar Tipps.



Wann entwickle ich meine Hauptfigur?


Die Geschichte und der Protagonist sind unabänderlich miteinander verknüpft. Das, was passiert, kann nur dieser Person passieren, und sie trifft Entscheidungen, die die Geschichte wiederum vorantreiben. Wenn also die Frage kommt, ob man zuerst den Plot und dann den Protagonisten entwickeln sollte oder umgekehrt, ist meine Antwort: Beide müssen miteinander entstehen. Zugegeben, zu Anfang drängt sich meist nur eines von beidem auf. Entweder man hat eine Person im Kopf oder eine Story-Idee. Doch sobald man sich die Zeit nimmt und zu entwickeln beginnt, sollten Story und Figur Hand in Hand gehen. Nur so können wir sicherstellen, dass die Geschichte nicht beliebig wird und einer inneren Logik folgt.


Fragt euch:

  • Welcher Person könnten die Dinge, die ich in meiner Geschichte erzählen will, tatsächlich widerfahren?

  • Wie müsste diese Person gestrickt sein, um die Entscheidungen zu treffen, die die Geschichte in eine spannende Richtung lenken?


Wie ihr am besten beim Planen eures Romans vorgeht, könnt ihr hier lesen.



Menschen sind nicht perfekt


Einer der häufigsten Fehler, der vor allem jungen Autoren unterläuft, ist der, dass ihre Hauptfiguren zu perfekt sind. Sie sehen gut aus, sind klug, erfolgreich, jeder verliebt sich sofort in sie, und auch ohne passende Ausbildung oder Vorkenntnis lösen sie jedes Problem, das die Geschichte ihnen in den Weg wirft. Das Problem dabei, abgesehen davon, dass es unglaubwürdig ist: Leser*innen mögen solche Menschen nicht. Niemand möchte über 300 Seiten einer perfekten Person dabei zusehen, wie sie alles richtig macht.


Deswegen: Gebt euren Protagonisten Fehler. Und damit meine ich nicht, dass der gut aussehende Feuerwehrmann mit Doktortitel und privater Katzenwaisenaufzuchtstation eine Narbe im Gesicht hat, die ihn nur noch sexier macht. Vielmehr spreche ich von tief sitzenden Traumata oder Eigenheiten, die für den Verlauf der Geschichte eine wichtige Rolle spielen. Indiana Jones hat schreckliche Angst vor Schlangen, deswegen ist es besonders dramatisch, als er in der Schlangengrube landet. Außerdem ist er ein schrecklicher Schwerenöter, was ihm gleich im ersten Teil zum Verhängnis wird, als er mit seiner verflossenen Liebe Marion ein Abenteuer bestehen muss. Die Beziehung zu seinem Vater ist auch nicht die beste; darum geht es im dritten Teil der Filmserie. Ihr seht: Die inneren Konflikte, die unsere Protagonisten mit sich herumtragen, haben Auswirkungen auf den Verlauf der Geschichte. Und sie machen sie liebenswerter, komplexer und menschlicher.


Fragt euch:

  • Welche Stärken und Schwächen hat meine Figur?

  • Wie wirken sich diese Stärken und Schwächen auf den Verlauf der Geschichte aus und muss ich hier eventuell etwas anpassen, damit mehr Spannung entsteht?




Was will meine Hauptfigur?


Einer der wichtigsten Faktoren für unsere Figurenentwicklung ist die Motivation. Nur der nötige Antrieb wird eine Figur dazu bringen, zu handeln. Viele Schriftsteller und Dramatiker sagen: Der Held/die Heldin will genau eine einzige Sache, und dieser Wille treibt die Handlung an.

Das klingt etwas schmal. Wirklich nur eine einzige Sache? Damit ist gemeint, dass alle kleineren Motivationen aus einem Hauptantrieb heraus kommen sollten. Ein Beispiel: In „Die unendliche Geschichte” steht die Inschrift „Tu, was du willst” als Leitfaden auf dem Medaillon Auryn. Die Zauberin Xaide erklärt unserem Helden Bastian an einer Stelle: „Es heißt, dass du deinen wahren Willen tun sollst. Und nichts ist schwerer.” Genau darum geht es bei der Figurenentwicklung.


In „Die unendliche Geschichte” ist es Bastians Bedürfnis, gesehen und geliebt zu werden. Nach dem Tod seiner Mutter ist er von seinem Vater entfremdet. [ACHTUNG SPOILER!] Deswegen flüchtet er sich in die Bücher, deswegen kann Atrejus Suche nach dem einen Menschenkind ihn einfangen, sodass er Phantásien rettet, deswegen begeht er seinen größten Fehler, indem er sich zum neuen Kaiser aufschwingt und alle seine Freunde verliert, und nur deswegen kann er den Weg nach Hause finden, weil er lernt, dass Liebe nicht etwas ist, das man bekommt, sondern etwas, das man gibt.


Bastians ganze Geschichte lässt sich auf dieses eine Grundbedürfnis herunterbrechen. Deswegen wirkt alles, was er tut, logisch und motiviert, auch wenn es uns als Leser*innen nicht immer gefällt. Wenn ihr mehr über die innere Reise eurer Helden lesen wollt, hier ist mein Beitrag zur Heldenreise.


Fragt euch:

  • Was ist der am tiefsten sitzende Motivator für die Figur?

  • Auf welches Grundbedürfnis lassen sich alle Entscheidungen zurückführen?



Der Lebenslauf


Viele Autor*innen finden Antworten auf all diese Fragen, indem sie Lebensläufe für ihre Hauptfiguren erstellen. Einige gehen dabei sehr in die Tiefe, andere skizzieren nur die für den Roman relevanten Aspekte. Wieder andere lassen ihre Figuren Briefe schreiben, um ihre Stimme zu finden. Die Methoden sind vielfältig, und ihr könnt euch aussuchen, was für euch am besten funktioniert. Seid kreativ und probiert herum. Aber behaltet im Hinterkopf, dass nicht jeder Fakt, den ihr über eure Hauptfigur herausfindet, unbedingt in der finalen Geschichte genannt werden muss. Manchmal muss sogar das zugrunde liegende Trauma nicht unbedingt thematisiert werden. Wichtig ist nur, dass ihr wisst, wie eure Figur tickt. Dann wird jede Entscheidung, die sie trifft, authentisch wirken.



Der aktive Held


Und wo wir gerade dabei sind: Helden müssen aktiv sein. Lasst eure Protagonisten Entscheidungen treffen, auch mal die falschen. Nichts ist langweiliger als ein Held, dem alles einfach nur passiert und der nichts eigenmächtig in die Hand nimmt. Er muss etwas riskieren, sonst haben wir als Leser*innen keinen Grund, mit ihm zu fiebern.


Wie immer gilt: Wenn ihr mehr über ein Thema wissen wollt, schreibt mir eine E-Mail, ich mache dann einen Beitrag dazu.


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